[Erasmus] Tag 38 – 44 – Granatwerfer in Istanbul

Für 189 Lew geht es diese Woche also drei Tage lang nach Istanbul. Es ist 19:30Uhr, ich habe meine bequemste Hose an und bin bereit für die ca. 10-stündige Busfahrt. 15 Minuten Fußmarsch zur Ablegestelle. Ich nehme einen Sitz in der vorletzten Reihe. Ich bin immer noch krank und hoffe, dass es hinten nicht zu laut wird. Das war natürlich Wunschdenken. Der Bus besteht zur Hälfte aus Studenten und zur anderen Hälfte aus älteren bulgarischen Menschen. Nach 2 Stunden Fahrt haben die wohl einen genau so großen Hass auf die singenden Erasmusleute, wie mein erkälteter Schädel. Da viele von weiter vorne ihre Sitze verlassen haben um hinten mitzufeiern quetsche ich mich galant vorbei und erobere einen Sitz fünf Reihen weiter vorne. In meiner Weisheit habe ich bei einer Apotheke vor der Fahrt noch Ohrstöpsel gekauft und schlafe Teile der Busfahrt echt gut. Da das Busklo kaputt ist müssen wir jedoch oft anhalten. Zusammengefasst ist es super laut, unbequem, mein Kopf brummt und wir halten ständig an.

Die Busfahrt war anstrengend, doch sowas von die Anstrengung wert, Istanbul ist viel schöner als ich dachte. Wir kommen um 8 Uhr morgens an und erfahren, dass wir erst um 12 in unsere Zimmer können. Also bieten uns die Organisatoren eine Rundfahrt durch die Stadt. Die Leute von dieser Reiseagentur sind totale Gurken, die Rundfahrt trotzdem eine gute Idee. Wir fahren einmal kurz auf die asiatische Seite, womit ich nun offiziell auch in Asien war, Asiaselfie als Beweis!:

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Bei der Hagia Sofia dürfen wir aber aussteigen und haben eine Stunde Zeit. „Be punctual!!“, sagt eine der Gurken in aggressivem Ton. Die zwei Moscheen sind zwar absolut beeindruckend, ich bin aber viel zu verschwitzt, krank und müde um jetzt Sightseeing machen zu wollen. Ich zwinge mich trotzdem etwas dazu. Diese zwei Moscheen stehen direkt nebeneinander (Wir haben diese riesige Moschee hier, was sollen wir daneben hinbauen? Wie wärs mit noch einer riesigen Moschee? Yeah!):

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Als wir pünktlich zurückkommen, ist keiner da. Wir warten 30 Minuten, bis die Meisten glauben, der Bus hätte die Erasmusleute sitzen gelassen. Alex will gerade auf eigene Faust los, da kommen die Veranstalter 40 Minuten zu spät um die Ecke. Diese verdammten Gurken. Das Hotel ist für den Preis der Knaller. Leider stellt sich beim Check-in heraus, dass die Gurken auch das vergurkt haben. 90 Minuten später können Bruno und ich endlich unser Zimmer betreten. In unserem Zimmer steht ein Doppelbett und ein Einzelbett, ich schmeiße mich aufs Doppelbett. Endlich!

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Ich nehme zuerst eine der besten warmen Duschen meines Lebens und schlafe frisch geduscht direkt ein. Wir haben eine Stunde Schlaf geplant, dann Stadt erkunden. Nach 50 Minuten wache ich auf, Niall ruft „Get up! We’re leaving!“. Noch halb im Tiefschlaf raffe ich mich so schnell es geht auf. Mit einer Gruppe von insgesamt 14 Erasmusstudenten machen wir uns auf den Weg zurück zur Hagia Sofia, wir wollen die noch von innen sehen. Leider sind in der Gruppe auch die Spanier dabei, was bedeutet, dass wir wahrscheinlich niemals irgendwo ankommen werden. Ich stelle mich also darauf ein, einfach die Stadt zu genießen und setzte keine Erwartungen. Das war eine ziemlich gute Idee, denn bis wir endlich an der Hagia Sofia und der blauen Moschee ankommen, sind wir mit drei falschen Zuglinien gefahren und mehrere Kilometer herumgeirrt. Tatsächlich haben wir es dann geschafft beide Moscheen anzusehen. Sehr beeindruckend. Italiener Matteo erzählt mir, dass die Kuppel der Hagia Sofia für damalige Physiker unmöglich war. Abseits von der unglaublichen Architektur findet sich in einer Ecke der Moschee eine Gravur im Geländer. Diese ist ganz besonders, es handelt sich nämlich um Runen und zeigt, dass die Wikinger hier waren. Die Wikinger! Kommen nach Istanbul und ritzen ihre Namen in die Kirche.

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 Vor den Moscheen laufen immer Leute herum, die einem Sachen andrehen wollen. Einer wollte uns eine Bootstour aufquatschen und da wir später noch eine machen wollten lässt Niall sich einlullen. Der ca. 60-jährige Mann scheint nett zu sein, aber ich bin allen Straßenverkäufern gegenüber skeptisch. Besonders sein Angebot: 8€ pro Person, statt 15€, was die Gurkenagentur von uns wollte. Wir lassen uns überreden. Er führt uns sogar zu Bootsanlegestelle. Auf dem Weg dorthin unterhalte ich mich mit dem ca. 60-jährigen Mann. Stellt sich raus er ist in Deutschland geboren und seit 37 Jahren in Istanbul, spricht deutsch und gibt uns allerlei Tipps zu Istanbul. Ich bin trotzdem immer noch skeptisch. An der Bootsanlegestelle nimmt er uns das Geld ab, dann legt das Boot ab, bevor wir drauf können. Er erklärt uns, es gäbe ein Problem am Boot, dauert nur 20 Minuten und sagt wir sollen ihm folgen, er spendiert uns Tee. In einem Restaurant in der Nähe, er kennt hier wohl alle, spendiert er uns tatsächlich Tee. Der perfekte Zeitpunkt um abzuhauen, denke ich. Mit Tee einlullen und dann leise verschwinden. Als er tatsächlich kurz weggeht und nach zwei Minuten zurückkommt bin ich schon fast enttäuscht, dass er uns nicht abzockt. So eine gute Strategie. Wir gehen zurück zur Anlegestelle, es stellt sich raus, dass dieser Mann einfach nur nett ist. Wie erfrischend. 

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Das Hotel mit dem Pool auf dem Dach kostet 32000€ pro Nacht
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Von denen hatte ich mehrere 🙂
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Auf die konnte man mit einem Luftgewehr schießen, für Geld natürlich

Die Bootstour ist total cool, es wird langsam dunkel während wir unterwegs sind. Die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten sind immens beleuchtet und spektakulär vom Boot aus zu betrachten.

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Abends machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Die Wahl trifft auf einen Laden namens Sait Iskender in dem es Iskender gibt. Das ist Kebabfleisch auf Brot mit Paprika und tomatiger Soße. Damit es auch schmeckt, wird das erst serviert und dann mit einem riesigen Löffel flüssiger Butter übergossen. Nicht mein Fall, hatte aber Dürüm.

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Nach dem Essen geht die Hälfte der Leute einfach ins Bett, ich auch. Mit Matteo machen wir aus schon um 8 Uhr weiter die Stadt zu erkunden, dieses Mal mit einer kleinen Gruppe. 

Fünf Leute, die alle an Sightseeing interessiert sind. Perfekte Voraussetzungen für einen erfolgreichen Tag. Wir sehen uns gleich zwei Paläste an (Topkapi und Dolmabahçe), eine sehr bekannte Zisterne (Cisterna Basilica), einen Aussichtsturm (Galata) und den großen Basar. Topkapi Palast war schon sehr beeindruckend, es schien der Sultan hier konnte einfach nicht genug von Couch-Ecken bekommen. Die Säulen in der Zisterne wurden aus verschiedensten Regionen hierher geschleppt, eine davon steht auf einem Steinkopf von Medusa, von dem niemand weiß wo der herkommt. Der Galata-Turm hatte leider nur einen Aufzug, ich wäre gerne Treppen gelaufen, das macht den Ausblick besonderer. Der Außenring oben auf dem Turm hatte einen nach außen hin schiefen Boden, weshalb mir tatsächlich extrem schwindlig geworden ist. Musste mich drinnen im Turm erst einmal hinsetzen, ist mir noch nie passiert. Der Dolmabahçe Palast war möglicherweise das prunkigste was ich je gesehen habe. Der größte Kronleuchter im Thronsaal wiegt 4,5 Tonnen (der auf dem Bild nur eine läppische Tonne). Leider waren keine Bilder erlaubt und von meinen heimlichen Hüftfotos ist nur eins was geworden. Der große Basar ist eine Erfahrung für sich, habe zwar nichts gekauft (außer was zu essen – man kriegt hier als Tourist ganz besondere Preise) aber die Atmosphäre dieser Innenanlage ist total lebendig und cool. Bilder von Allem!:

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3 Meter Zeremonie-Schwert
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Matteo und überlegende Wache
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No treespassing :p
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Galata Turm
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Der große Basar

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Alles saulecker in der Stadt
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Der verkauft Lutscher
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Dolmabahçe Eingang
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Hab erst Erotik Toys gelesen
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Topkapi Palast

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Der kleinste Kronleuchter hier
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Niall mit neu erworbenem Selfie-Stick

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Unterwegs erfahren wir, dass in Ankara auf einer Friedensdemonstration eine Bombe hochgegangen ist. Es handelt sich um einen politischen Konflikt zu den Wahlen, den ich hier jetzt lieber ausspare. Das führt aber dazu, dass die meisten Bars und Clubs an diesem Tag auch in Istanbul schließen und überall große Polizeistreifen mit Wasserwerfern, Schilden und Granatwerfern in Istanbul auf Proteste warten. Und in Istanbul will man lieber nicht in einen Protest verwickelt werden. Letzendlich wurde nicht viel protestiert, wir waren jedoch trotzdem sehr vorsichtig und sind diesen Abend in der Nähe des Hotel in eine Shishabar gegangen, anstatt ins Zentrum. War trotzdem super. Morgen früh um 8 geht auch schon wieder der Bus.

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Die Busfahrt zurück war merkwürdig, wir haben in einem sehr sehr kleinen Dorf gehalten um eine sehr unspektakuläre orthodoxe Kirche zu betrachten. Keiner weiß wieso. Danach haben wir noch einmal gehalten. „2 Hours free time“, sagt Gurke 1. Zwei Stunden? Ich will doch nur zurück. Keiner erklärt uns wo wir sind und es regnet heftig. Da wir jetzt auch nix dagegen tun können erkunden wir etwas die Gegend. Wir essen bei einem Dönermann, entdecken eine Miniversion des großen Basars und eine riesige Moschee. Wir beschließen einen Blick in die Moschee zu werfen. Zwar waren wir in Istanbul schon in einer, aber in dieser wird tatsächlich gerade gebetet. Die Stimmung in der Moschee ist total friedlich, es ist hell, überall ist Teppich, Kinder rennen im Kreis und Leute unterhalten sich. Im Vergleich zu christlichen Kirchen (Ich vergleiche nur die Kirchen) gewinnt die Moschee für mich allein schon wegen dem Teppich 🙂 Später habe ich herausgefunden, dass wir in Edirne waren und das die Selimiye-Moschee war, die sogar UNESCO-Weltkulturerbe ist. Nach diesem sehr interessanten echten Moscheeerlebnis geht die Reise weiter nach Blagoewgrad.

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 Ich könnte noch viel mehr Details über diese berichten, das Wichtigste steht nun aber hier. Alles in Allem empfehle ich eine Reise nach Istanbul! Achtet aber auf den Verkehr. Obwohl ich jetzt schon selbst in Sofia gefahren bin, nimmt Istanbul lässig Platz 1 der schlechtesten und gefährlichsten Autofahrer ein.

Aber das war doch nur das Wochenende, was ist mit dem Rest der Woche? Der wurde davon überschattet und ist uninteressant. Hier das spannendste Bild, das ich währen der übrigen Zeit gemacht habe:

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 Immer noch fleißig im Fitnessstudio!

Bis nächste Woche.